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#speakUpera, jetzt sprechen Wir, Du und Ich!

Wir stecken in alten Narrativen fest und die bestgemeintesten Versuche, diese zu verändern, scheitern leider genau daran!

Am Donnerstagabend lief ein 6-minütiger Beitrag von MDR Artour (Beginn bei Minute 13) zum Thema „Nichtverlängerungen an Theatern”. Für diesen Beitrag wurde ich interviewt und es ist ein kurzer Ausschnitt mit mir zu sehen. In dieser kleinen Reportage wurden bestimmte Themen nicht angesprochen, die ich heute ergänzen möchte.

Ich gebe erst einmal einen kurzen Umriss meiner ganz persönlichen Geschichte zu diesem brisanten Thema:

Mein Vertrag wurde zur letzten Spielzeit nach 10 Jahren im Solistenensemble der Oper Leipzig nicht verlängert. Ich wusste schon lange, dass es passieren würde. Eigentlich wusste ich es, als klar war, dass unser Intendant unser Haus im Jahr ‘22 verlassen würde. Und trotzdem war es schmerzhaft. Es war entwürdigend. Es hat mich als Künstlerin tief getroffen.
Und gleichzeitig habe ich größtes Verständnis.
Ja, ich glaube daran, dass eine neue Theaterleitung eine neue Handschrift entwickeln darf und das sogar auch tun sollte.
Ich glaube daran, dass sie einen Teil eines Ensembles austauschen darf und vielleicht sogar muss. Es geht mir bei all’ dieser Darstellung um etwas ganz Anderes;
Es geht mir um das WIE. Es geht mir um die Transparenz. Es geht mir um mögliche Machtmissbräuche, die unter der Decke von künstlerischer Freiheit gut getarnt zu oft passieren können. Es geht mir um das stille Akzeptieren eines Vorgehens, das für einige KünstlerInnen okay und für andere existenzbedrohend und lebensverändernd ist.

Ja, KünstlerInnen wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie ins Studium gehen. Das heißt aber noch lange nicht, dass alles immer so bleiben muss, wie es war. Die Welt dreht sich weiter, sie verändert sich gefühlt minütlich. In den meisten innovativen Unternehmen findet schon seit einiger Zeit ein Umdenken statt. Change Manager helfen dabei.
Kann das Theater „bitte“ auch so ein Unternehmen sein und nicht nur so tun, als seien sie es?
Nachhaltigkeit ist so wichtig! Dieses Wort steckt in aller Munde. Sie beginnt aber im Inneren und nicht im Außen, wie zum Beispiel bei Aktionen, die bejubelt oder mit Preisen gewürdigt werden. Diese Arbeit beginnt auf der Ebene der Menschlichkeit zwischen Leitung und Ensemble bzw. Theater Angestellten.

In dieser Diskussion und der Berichterstattung vom MDR kamen für mich einige Themen zu kurz und hinterließen bei mir ein mulmiges Bauchgefühl.
Deshalb lade ich hiermit zu einem Perspektivwechsel ein. Wir unterliegen alten Narrativen, die wir schon beinahe gar nicht mehr wahrnehmen, weil sie in uns eingebrannt sind. Sie stehen da wie eine unumstößliche Wahrheit.

Das ist meine Sicht der Dinge:

1.Ich habe aus Liebe zu meinem aufgebauten Leben auf ein zukünftiges Festengagement verzichtet.
Meine Kinder haben mich nicht abgehalten. Sie haben mir die Motivation gegeben, mein Wissen, meine Kunst, meine Expertise weiterzuentwickeln und zu wachsen. Sicherlich war dies vom MDR nicht beabsichtigt, trotzdem wirkt es im Beitrag so, als hätte ich das Singen wegen der Kinder aufgegeben. Das habe ich nicht. Ich hätte genauso wieder vorsingen gehen können. Ich habe aber frei entschieden, mein eigenes Business weiter aufzubauen und mich als freischaffende Sängerin zu etablieren. 2019 habe ich ein sehr erfolgreiches Unternehmen “Artist Leadership” gegründet. 2022 wurde ich für den sächsischen GründerInnenpreis nominiert.
Ich habe mir damit meine eigene Freiheit erschaffen. Diese Freiheit ermöglicht mir so ziemlich alles, wonach ich sehr lange gesucht habe: Freiheit meine eigene Kunst und Kreativität zu entfalten, ohne in Abhängigkeit oder Bewertung zu stehen, purer Genuss beim Tun, Sinnhaftigkeit leben. Freiheit ermöglicht mir, meine Zeit so zu nutzen, wie ich es für sinnvoll erachte. Diese Freiheit macht mich persönlich zu dem Menschen, der ich sein will.

In meiner Arbeit öffne ich sichere (Gedanken-)Räume für Kreative und KünstlerInnen, sodass sie ihre verrücktesten Ideen in die Welt bringen, dafür sehr gut bezahlt werden und wir gemeinsam unsere Welt bunter und authentischer machen.
Das Klischee der „armen“ KünstlerInnen, die abhängig wären von Theatern und nur dann glücklich oder erfolgreich seien, wenn sie eine Festanstellung am Theater haben, möchte ich nicht unterstützen.

Seit Jahren arbeite ich mit KünstlerInnen zusammen, die Pionierarbeit leisten, innovativ denken und alte Paradigmen hinter sich lassen. Sie sind fantastisch ausgebildet, inspirieren ihre Communities, verlassen alte Strukturen, bereichern die Gesellschaft mit ihren Fähigkeiten und verdienen sehr gut. Sie sind die Zukunft dieser Branche!

Erfolgreich, im künstlerischen Sinne, zu sein, heißt nicht ausschließlich eine Anstellung am Theater zu ergattern, nach dem Motto „Oh, du hast es geschafft, du bist am Theater”. Das ist zu kurz gedacht und vernachlässigt all’ die Persönlichkeiten, die da draußen agieren und gar nicht an einer Festanstellung interessiert sind.

Das ist ein altes Narrativ, dem nach wie vor ein Großteil der Gesellschaft unterliegt und das in der Reportage noch einmal untermauert wird. Dieses Narrativ zieht einen Rattenschwanz hinter sich. KünstlerInnen geraten unberechtigt in eine Opferposition. Die „armen“ KünstlerInnen muss man doch unterstützen (sie sind ja nicht angestellt, haben kein regelmäßiges Einkommen), geben wir ihnen mal ein bisschen Geld. Dieses Mindset etabliert sich nicht nur bei den Konsumenten, sondern auch bei den KünstlerInnen selbst.

2.So schafft sich eine Szene selbst ab, denn wenn die eigene Kunst nichts wert ist, dann wird sie beliebig. Dadurch kann jeder Einzelne schnell ersetzt und ausgetauscht werden.

KünstlerInnen sind dann erfolgreich, wenn sie ihre Kunst machen; unabhängig von Zwängen oder Abhängigkeiten und, wenn ihre Freiheit sie zur Kunst geradezu treibt. Ich möchte noch einmal betonen, dass diese Art zu leben, zu denken, innovativ und nicht bemitleidenswert ist.

3.Meiner Meinung nach geht es überhaupt nicht um die Richtigkeit oder die Natur von Zeitverträgen und ob diese „gut oder schlecht” sind.
Diese Frage werden wir niemals endgültig beantworten können, weil jeder Mensch anders ist. Es geht um die Willkür von Entscheidungen und um das Nebulöse hinter den vorgeschobenen Gründen einer Nichtverlängerung. Mir geht es um einen menschlichen, transparenten Umgang, um die Solidarität von Kultur- und Theaterschaffenden untereinander und eben auch von der Leitung zu „ihrem“ Ensemble.
Wie sehr würde jedes Ensemblemitglied danach lechzen, vom eigenen Ensemble oder gar von der Leitung unterstützt zu werden. Wie sehr würde es ihm/ihr ein stabiles Fundament geben, wenn er/sie wüsste, dass das Ensemble aufsteht und für die Rechte der anderen kämpft und nicht widerstandslos, unbegründete und willkürliche Nichtverlängerungen akzeptiert.

4.Neue Intendanten haben das Recht, sich ein neues Ensemble zusammenzustellen.
Ja, aber sie sind nicht die Opfer dieser Geschichte. Sie sind nicht die, die zu bemitleiden sind. Das Schlussfazit der MDR Reportage wirkt zwischen den Zeilen genauso: „Die Armen, die Intendanten haben doch auch ein Recht auf künstlerische Freiheit!” Ja, die haben sie und nutzen sie leider viel zu oft für sich aus. Sie unterschreiben übrigens auch in der Regel 5-Jahresverträge. Schimmert da etwa ein Lösungsansatz durch?

In dem gesamten Kontext scheinen immer wieder Glaubenssätze durch: KünstlerInnen haben ja schon immer gelitten, sie sind es ja gewohnt. Also bleibt es eben so, wie es ist. Verändern kann man nichts und anstrengend ist es ja auch.

 „Verbessern heißt verändern!”- Winston Churchill

Veränderungen passieren dann, wenn sie in unser gesellschaftliches Bewusstsein treten.

Das ist mein Anliegen. Dass das, was ich sehe, was wir verändern können, direkt vor unseren Augen beginnt.

Mir geht es um echte Empathie. KünstlerInnen sind echte Menschen, mit echten Geschichten und echten Leben. Sie brauchen Räume, in denen sie wachsen dürfe, ohne Angst zu haben, etwas „Falsches“ zu sagen. Und hier widerspricht sich „Theater“ eben. Ein/e KünstlerIn wird sich niemals frei äußern können, wenn sie dabei Gefahr läuft, aufgrund dieser Meinung nicht mehr verlängert zu werden. Und gehört die freie Meinungsäußerung nicht zur Kunst? Ist es nicht genau das, was sie will?
Aber welche KünstlerIn würde das schon riskieren?

Wachstum gepaart mit Angst erschafft KünstlerInnen mit einer begrenzten künstlerischen Freiheit. Wenn uns das reicht, anstatt nach dem Wilden und Außergewöhnlichen zu streben, dann können wir alles dabei belassen.

Unsere Welt ist im Wandel. Auch die Oper darf und sollte sich in Frage stellen, denn sonst gehen irgendwann die echten Akteure verloren und werden ersetzt von gleichgebügelten Pflichterfüllern.

Und somit öffne ich den Raum für und mit KünstlerInnen zu sprechen.

Ich rufe #speakUpera ins Leben.

#speakUp:
Ich möchte all’ denen, die gehört werden wollen, eine Stimme und eine Bühne geben. Dabei geht es mir nicht um das Nörgeln oder um das Beschimpfen einer Szene, sondern um eine Bewusstseinserweiterung, um eine Horizontöffnung. Mir geht es um die Menschen und um die Geschichten dahinter und diese einem größeren Publikum vorzustellen.

Mir ist es wichtig zu zeigen, welche faszinierenden Wege KünstlerInnen gehen.
Es ist wichtig zu zeigen, wie stark ihr seid und welche wunderbare Arbeit ihr leistet. Ich möchte für Euch als individuelle und freie künstlerische Persönlichkeiten eine Bühne geben.
Gemeinsam ist keiner allein! Zusammen kreieren wir eine starke Gemeinschaft, in der wir alle sein dürfen.
It is finally time to #speakUp!

#SpeakUpEra Mit diesem Bewusstsein erschaffen wir außerdem eine neue Ära, denn es ist längst an der Zeit!
It’s time for a new era!

#speakUpera Wann sprichst du?

Melde dich bei uns unter team@sandrajanke.com

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